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Unter anderem leite ich in meiner Freizeit Klettertouren beim SAC. So auch kürzlich an einem Sommerwochenende. Ich hatte die erste reine Damentour unserer Sektion ausgeschrieben und reiste mit sieben Gesellinnen in die Berge. Dies nicht ganz uneigennützig, hoffte ich doch eigentlich, Stoff für meinen Sprachblüten-Blog zu bekommen, wenn Kletterladies mal ganz unter sich sind. Die Ausbeute war leider eher enttäuschend. Die Stimmung war zwar wohlwollend und motivierend, und dass Frauen, wenn sie unter sich sind, bei solchen Dingen oftmals ein grösseres Selbstvertrauen entwickeln und mehr ausprobieren, als wenn die Luft allzu testosterongeschwängert ist, ist auch nichts Neues. Mit Sprache hat das aber nur wenig zu tun… Ansonsten klang es eigentlich, wie sonst: Die Kletterkommandos bleiben die gleichen, die Motivationsrufe auch – und auch Frauen fluchen manchmal unter der Gürtellinie, wenn es gerade nicht wie gewünscht läuft…
Viel interessanter war ein anderes, altbekanntes, allerdings geschlechterunabhängiges Phänomen, das bestimmt jeder schon mal bei sich beobachtet hat. In unserer Gruppe war eine Engländerin mit dabei, die zwar ganz gut Hochdeutsch spricht und versteht – mit Mundart aber noch so ihre liebe Mühe hat… «Da könnt ihr auch gleich Chinesisch sprechen», beschreibt sie ihren Verständnisgrad selbst. So bemühen wir uns natürlich alle, das ganze Wochenende Hochdeutsch zu sprechen – und mühen uns schlicht damit ab! Obwohl wir Hochdeutsch ja eigentlich wirklich beherrschen sollten, fallen wir in der Gruppe alle automatisch immer wieder in Mundart zurück und reden, wie uns eben der Schnabel gewachsen ist. Gerade in Momenten, in denen wir uns in der Kletterwand an der Grenze unserer Komfortzone befinden, fällt es umso schwerer, noch die Fremdsprache zu sprechen, die ja eigentlich gar keine sein sollte und dennoch eine ist. Entsprechend hört man von besagter Britin aber auch immer mal wieder englische Rufe aus der Felswand…
Trotz aller Mühe bestätigt sich erneut das eigentlich längst bekannte Fazit: Wer als Fremdsprachiger langfristig in der Schweiz integriert sein will, kommt wohl nicht umhin, unseren kreuzkomischen Dialekt zumindest verstehen zu lernen. So starteten wir also gleich die Mission Mundart und erklärten unserer Kameradin von der Insel ab sofort die Unterschiede zwischen Hochdeutsch und Schweizerdeutsch, überlegten uns, ob es vom ach so schweizerischen Verbzusatz «go» wenigstens eine ähnliche Regel im Englischen gibt, studierten Fallabweichungen und suchten – wie immer in solchen Situationen – nach besonders anders klingenden Dialektwörtern. Dabei ging es weniger um Zungenbrecher wie «Chuchichästli», sondern eher um nützliche Dinge wie «ich ga go poste», «ich lüt dr a», «in Wald go brätle» oder «gömer go Glacé schläcke!». Die Britin übte fleissig, wir lachten viel und bestimmt war sie froh, nicht nur darüber zu reden, sondern den Knoten in der Zunge zwischendurch auch mit einem leckeren Glacé zu kühlen. Ob sie ihren Mann, seines Zeichens Schweizer, dann bei ihrer Ankunft zu Hause tatsächlich mit dem viel geprobten «du machsch mi giiggerig!» begrüsst hat, entzieht sich jedoch leider unserer Kenntnis… Und ja – auch in einer reinen Frauengruppe kommen solche Themen! Eben ganz wie sonst…

Foto: Emilio Garcia, Unsplash

Neben meinem Hauptberuf als Texterin arbeite ich zusätzlich noch in einer Kletterhalle als Kurs- und Eventleiterin. Des Öfteren darf ich in diesem Rahmen auch Kinder instruieren und unterhalten, zum Beispiel, wenn sie ihren Geburtstag mit einem Schnupperklettern in unserer Anlage feiern. Dies ist einerseits klettertechnisch, mitunter manchmal aber auch aus sprachlicher Sicht sehr erheiternd – nicht nur, weil unter den Teilnehmern öfters Kids von Expats sind, die sich miteinander ganz selbstverständlich in einem bunten Wirrwarr von Schweizerdeutsch, Hochdeutsch, Englisch und weiteren Sprachen unterhalten. Nein, auch darum, weil ich dadurch zum einen Sprachtrends und zum anderen auch aktuelle Themen dieser Sprösslinge hautnah mitbekomme. Dass Kinder in Zeiten von Internet und ungefilterter Informationsflut nicht immer nur über altersgerechte Themen reden, ist grundsätzlich ja nichts Neues – vor allem, wenn sie unter sich sind. Oft ist das einfach sehr amüsant und unterhaltsam. Kürzlich habe ich mir an einem dieser Kletterkindergeburtstage die Ohren aber doch ganz schön verdreht: Eine 9-jährige erklärte ihren Gefährtinnen beim Warten vor der Kletterroute mit grösster Selbstverständlichkeit, was denn eine Bordsteinschwalbe sei. Und präzisierte auf Nachfrage einer Kollegin, dass es dabei wirklich nicht um Vögel gehe, sehr wohl aber ums Vögeln! Ich gebe zu, ich war ein wenig irritiert und perplex zugleich und wusste nicht recht, ob ich nun darauf reagieren oder die Angelegenheit einfach überhören sollte… Da das kletternde Mädchen an meinem Seil einen Augenblick später laut rief, es sei nun schon ganz hoch oben und wolle nun wieder nach unten, war die Ablenkung gegeben und die Situation vorerst gerettet…
Das Erlebnis liess mich aber nicht ganz los und so erzählte ich in den nächsten Tagen mehreren Freunden und Bekannten diese irgendwie witzige und doch leicht befremdliche Anekdote. Und stellte fest: Manche von ihnen sollten auch mal eine Warteschlangenlektion bei der 9-jährigen geniessen – wussten viele von ihnen nämlich auch nicht, worum es sich bei einer Bordsteinschwalbe handelt… Oder sie taten zumindest so! Die amüsanteste Reaktion: «Bitte was? Eine Bordschweinschwalbe?!?» Nun, stellt man sich darunter eine Kreuzung zwischen Bordsteinschwalbe und Schwein vor, ist das in manchen Fällen ja vielleicht auch nicht ganz falsch… Dennoch war ich überrascht, wie viele erwachsene Leute diesen, zugegeben zwar schon sehr deutschen und wenig schweizerischen Ausdruck nicht kannten. Nun, so lassen wir am besten offen, ob eine Bordsteinschwalbe nun eher ein Zugvogel ist, der in unseren Gefilden zur warmen Jahreszeit besonders aktiv wird, oder ihr Name viel mehr schlicht die Fantasie mancher Zuhörer beflügelt… Diejenigen, die es genauer wissen wollen, kann ich gerne mit der 9-jährigen aus der Kletterhalle bekannt machen!

Eigentlich kann ich ziemlich gut Englisch und ich mag die Sprache auch sehr. Zumindest da, wo sie hingehört. Weshalb aber immer mehr Begriffe aus dem Englischen in die deutsche Sprache übernommen werden, obwohl es auf Deutsch entsprechende Pendants gibt, kann ich nicht ganz verstehen. Klar, Begriffe wie Computer, Event oder cool haben sich längst völlig etabliert – und zugegeben sind ein Snowboard und ein Schneebrett ja nun wirklich nicht dasselbe. Ausserdem mögen Anglizismen in manchen internationalen Business- ähm, Entschuldigung, Geschäftsbereichen, ja ihre Berechtigung haben und werden da auch verstanden. Kurios wird es aber, wenn Metaphern oder ganze Redewendungen wörtlich aus dem Englischen übersetzt werden. So höre ich bei uns immer öfter, dass Tramstationen nur «einen Steinwurf» entfernt – a stone’s throw away – sind, statt wie früher «einen Katzensprung». Dafür regnet es ganz oft «Katzen und Hunde» – vom Englischen «it’s raining cats and dogs» – statt dass es «in Strömen» oder «wie aus Kübeln» giesst. Ich warte also nur darauf, zukünftig am Bein gezogen – to pull someone’s leg – statt wie bisher «auf den Arm genommen» zu werden, wenn mich jemand necken will.
Nun ja, so lange wir statt «full of beans» auf Deutsch weiterhin «voller Tatendrang» sind und nicht «voller Bohnen», was eher dumm wie Bohnenstroh klingt, kann ich damit leben. Ebenso kaufe ich, um nochmals zu den Tieren zurückzukehren, in unseren Gefilden auch in Zukunft lieber mal die «Katze im Sack», statt – auf Englisch «a pig in the poke» – ein Schwein im Beutel, was definitiv die grössere Last wäre. Sollte sich der Kauf dann doch als glücklich erweisen, habe ich auf gut Deutsch eben lieber einfach «Schwein gehabt»!

Ich liebe es, in die Berge zu gehen – sei es zum Klettern, für Ski- oder Hochtouren, mit dem Mountainbike oder auch einfach mal zum Wandern. Denn Berge bieten einem so viele intensive Erlebnisse und bescheren einem so manch unvergessliches Abenteuer! Manchmal beginnt dieses allerdings schon, bevor man überhaupt draussen ist, sondern noch zu Hause bei der Tourenplanung sitzt – zumindest in sprachlicher Hinsicht... Als wir kurz vor Silvester mögliche Tourenziele ab der Maighelshütte besprachen, in der wir ein paar Tage verbringen wollten, fielen als Vorschläge unter anderem der Badus oder auch der Six Madun. Beides Gipfel, auf die eine nicht allzu lange Skitour ab der Hütte führt, mit kurzem Fussaufstieg zum Schluss. Wir hatten also bereits zwei Touren mit durchaus attraktivem Verhältnis von Aufwand und Ertrag – bei den prognostizierten mässigen Wetterverhältnissen mit eingeschränkten Möglichkeiten doch keine schlechten Aussichten. Es dauerte eine ganze Weile und wir waren schon fast bei der Detailplanung der Tour, bis wir feststellten, dass wir alle von ein und demselben Gipfel redeten! Nur nannten die einen seinen deutschen und eher bekannteren Namen Badus, während die anderen den romanischen Namen Six Madun benutzten, der leicht verschoben ebenfalls auf der Karte steht… Tja, wohl also der sprichwörtliche Gipfel der Verwirrung!
Eindeutiger war es da schon an einem anderen Skitourenwochenende in der Region Disentis. Tourenvorschlag war der Piz Ault bei Platta im Val Medel – auf der Karte mit keinem anderssprachigen Namen bezeichnet und damit als Gipfel klar identifizierbar. Wir gingen also an die Detailplanung, schauten Route, Steilheiten und Geländeformen an. Aber warum nur redeten die einen konstant von Nord- und Osthängen, während die anderen ständig West-Exposition nannten? Hatte es da mal wieder Leute drunter, die die Himmelsrichtungen durcheinanderbringen und stattdessen lieber von «auf der Karte links oder rechts» sprechen? Doch auch das führte nicht zum Ziel – die Aussagen blieben unterschiedlich. Des Rätsels Lösung: Im Val Medel gibt es tatsächlich zwei Piz Ault – einer rund drei Kilometer westlich von Platta, mit 2455 Metern, einer knapp zwei Kilometer östlich von Platta, mit 2471 Metern. Nur gerade gute vier Kilometer voneinander entfernt heissen zwei verschiedene Berge also genau gleich und sind auch noch fast gleich hoch! Wie soll denn hier eine ganze Gruppe vom gleichen Gipfel reden können? Immerhin waren damit schon zwei Touren im Detail geplant: Eine auf den Piz Ault, die andere ebenfalls…
Zu diesen Vorbereitungs-Hindernissen gesellt sich übrigens gerne noch ein weiterer Stolperstein dazu: Manche Berge heissen nämlich schlicht so ähnlich, dass man sie gerne verwechselt. Oder was soll denn beispielsweise schon der Unterschied zwischen dem Chilchalphorn und dem Chüealphorn sein? Die Antwort: Immerhin gute 70 Kilometer zwischen Hinterrhein und Davos!
Das Abenteuer Bergtour beginnt also oft schon zu Hause bei der Planung – mit einer sprichwörtlichen sprachlichen Gratwanderung. Wenn Worte nicht mehr helfen, gibt es schlicht nur eines: zusammen in die Karte schauen, um sich gegenseitig verstehen zu können. Übrigens eigentlich die perfekte Übung: Um sicher in den Bergen unterwegs zu sein, ist eine klare Kommunikation nämlich absolut essentiell – oft auch ohne Worte…

Foto: LAAX

Seit Kurzem darf ich im Hinblick auf die Olympischen Spiele die Medienarbeit für den Profi-Halfpipe-Snowboarder David Hablützel machen. Ein extrem spannendes Thema – und obwohl ich früher mal mehrere Jahre selber Snowboard gefahren bin, ist es auf diesem Niveau eine völlig neue Welt für mich. Und auch eine völlig eigene Sprache, die ich nun seit einigen Wochen zu verstehen und zu lernen versuche: «Snowboardisch»! Insbesondere die Namen der verschiedenen Sprünge haben es in sich… Der Siegeslauf von Iouri Podlatchikov an den LAAX OPEN Mitte Januar liest sich für einen Laien fast wie eine Abhandlung auf Chinesisch, obwohl die Namen mehrheitlich Englisch sind: Ein Frontside 900 Tailgrab, gefolgt von einem Backside 900 Nosegrab, dann ein Frontside Double Cork 1080 und ein Cab Double 1080 Mute und zum Schluss noch ein Alley Oop Double Backside Rodeo 900 Melon… Allein vom Zuschauen schwirrt einem da schon der Kopf – und die Namen tragen auch nicht sehr viel zur Klärung bei. Oder wissen Sie nach dieser Aufzählung, was der Sportler genau in der Halfpipe gezeigt hat?
Dabei gibt es eigentlich durchaus eine Logik in der Benennung der Sprünge: Die Zahl gibt die Drehung um die eigene Achse in Grad an, also quasi die Anzahl Schrauben, Frontside und Backside bezeichnen die Drehrichtung, ein Cork ist eine Drehung über den Kopf, also gewissermassen ein integrierter Salto, «Cab» steht für rückwärts angefahren und zuhinterst kommen die «Grabs», also wo das Brett mit der Hand gefasst wird. Ein Frontside Double Cork 1080 ist also ein Sprung, mit Drehrichtung, bei der die Vorderkante zuerst gegen das Tal zeigt, mit drei Schraub-Drehungen um die eigene Achse, also 1080 Grad, wovon bei zweien eine Drehung über den Kopf, also quasi ein Salto integriert wird – zwei Corks eben. Soweit also logisch und doch einigermassen hilfreich, um zu verstehen, was da so in die Luft geturnt wird. Bis zu vier Drehungen, also 1440 Grad, werden heute von Spitzenfahrern gemacht – schwindelerregend...
Ein rückwärts angefahrener Doppelsalto mit vierfacher Schraube müsste nach der eben erklärten Logik also eigentlich Cab Double Cork 1440 heissen. Eigentlich… Der Erfinder des Sprungs hat ihn aber kurzerhand «Yolo-Flip» getauft, für «you only live once» - und so wird er in der Snowboardszene nun auch genannt. Tja, so schnell ist es wieder vorbei mit der mühsam erlernten Logik! Nun, wer soll es den Snowboardern schon verübeln: Schliesslich reden wir im Alltag auch von einem «Pfünderli» und kaum je von einem «halben Kilo Brot», und «Hippie-Bus» oder «Bulli» klingen einfach auch besser als «VW T1»…
Ausserdem spielt es für den Grossteil der Zuschauer auch kaum eine Rolle, ob sie den Sprung nun «verstehen» oder nicht. Die Unterschiede in der Luft sind für Laien so oder so schwer zu sehen und ob ein Athlet nun drei oder vier Drehungen gemacht hat, ist von blossem Auge kaum zu erkennen. Viel Eindruck hinterlassen schlussendlich einfach die unglaublichen Kunststücke, die die Profis akrobatisch in den Himmel zaubern. Und zum nach aussen getragenen, legeren Image der Snowboarder passt der technische Begriff Cab Double Cork 1440 doch eigentlich viel weniger, als der das pure Lebensgefühl ausdrückende «Yolo-Flip»! Das ist eben «Snowboardisch»!

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Eine Metapher ist eine in der Sprache übertragene Bedeutung oder ein Vergleichsbild, ein Stilmittel zur Veranschaulichung eines bestimmten Sachverhalts, der mit der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs nichts zu tun hat, wie zum Beispiel «den Nagel auf den Kopf treffen». Metaphern sind unter Schreiberlingen aber auch ein durchaus beliebtes Mittel, um bewusst Sprachkompetenz oder besondere Kreativität zu demonstrieren – und manchmal vielleicht auch, um ein bisschen mit einer ausgefallenen Idee zu bluffen. Nur treffen Metaphern den Nagel leider nicht immer auf den Kopf. Ein oft gehörtes Beispiel ist «passend, wie die Faust aufs Auge». Ich bin sicher, Sie kennen den Ausdruck und wissen, was er bedeutet, richtig? Nur: Gemäss Duden hat ebendiese Metapher zwei Bedeutungen – die sich ferner nicht liegen könnten: «1. überhaupt nicht passen. 2. genau passen.» Ja – was nun? Ursprünglich die erste Bedeutung meinend – bildlich vorgestellt ist die Faust auf dem Auge oder wie es dazu kommt ja nicht gerade ein harmonisches Paar – aber zig mal missverstanden, ist heute nur noch aus dem Kontext und oftmals auch gar nicht zu erahnen, welche der zwei Bedeutungen das Gegenüber nun meint. Die Metapher hat es mit ihrer Doppelbedeutung also gewissermassen faustdick hinter den Ohren und Missverständnisse sind vorprogrammiert. Was tun? Ab der Unklarheit der Redewendung die Faust im Sack zumachen, trägt wohl auch nicht zur Klärung bei. Viel wichtiger wäre – auch für Schreiberlinge – die Bedeutung einer Metapher vor deren Verwendung noch einmal zu hinterfragen, und zum Beispiel in Sachen Faust aufs Auge auch besser mal ein Blatt vor den Mund nehmen. Das ist angewandte Sprachkompetenz.

Als sprachgewandter Schweizer ist man sich gewohnt, im Gespräch mit Menschen aus der Ferne wenn immer möglich in die Sprache des Gegenübers zu wechseln. Da ich mehrere Sprachen spreche, gelingt mir das zu meiner eigenen Zufriedenheit auch ziemlich oft. Meine Reisen in den letzten Jahren führten zum Beispiel nach Südamerika, Australien, Neuseeland, Südafrika, Frankreich oder Italien. Alles Regionen, deren Sprachen ich beherrsche, zumindest gut genug, um einen Kaffee zu bestellen oder ein Zimmer zu reservieren – manche auch deutlich besser.
Bei meiner letzten Reise jedoch war das etwas anders… Ich fuhr nach Kroatien. Und stellte schnell fest: Ich war schon lange nicht mehr an einem Ort, in dessen Landessprache ich ausser Guten Tag – Dobar dan – und Danke – Hvala – kein Wort verstehe. In diesem Land jedoch konnte ich nicht mal Ortsschilder vernünftig lesen, geschweige denn richtig aussprechen… Dieser Sachverhalt entpuppte sich für mich als überraschend ungewohnt und ich kam mir regelrecht deplatziert vor. Zum Glück wissen fast alle Kroaten in den touristischen Regionen, dass Besucher ihre Sprache kaum verstehen und wechseln dementsprechend flink auf Deutsch, Englisch oder Italienisch. Und immerhin kann ich all diese Alternativ-Sprachen zur Auswahl bieten, sodass die Kommunikation vor Ort nie wirklich ein Problem war. Dennoch fühlte ich mich stets ausgesprochen inkompetent, wenn ich dann beschämt in Deutsch oder Englisch Kaffee bestellte oder nach den einfachsten Informationen fragte. Bis wir in einem Restaurant vor einer kroatisch beschrifteten Vitrine mit Süssigkeiten standen. Und da war sie: Die «Kremschnitta»! Daneben lagen zahlreiche andere extrem lecker aussehende Dinge – allerdings mit unaussprechbaren Namen. Der Fall war klar: Dankbar bestellte ich die Cremeschnitte – natürlich in Landessprache – einfach, um mich ein bisschen besser zu fühlen.

Sie sagt es richtig! Sie ist Leistungssportlerin – aktuell die beste Ultracyclerin der Welt – nicht Sprachwissenschaftlerin, und dennoch sagt sie es richtig! Sie sagt: «Ich bin das Risiko eingegangen.» Bravo! Weshalb mir das so auffällt? Weil heutzutage kaum mehr jemand korrektes Deutsch zu können scheint. Wenn ein Hockeyspieler im Interview nach dem Match ausgepumpt sagt, «wir haben zu viel Risiko genommen», dann sei ihm ja noch knapp verziehen – insbesondere, wenn er, was im Eishockey ja öfters der Fall ist, eigentlich Englisch als Muttersprache hat. Von da kommt die Unsitte nämlich: «To take a risk» – auf Englisch der völlig korrekte Ausdruck – hat die deutsche Sprache offenbar schon so stark infiltriert, dass er auch von Deutschsprachigen sehr oft wörtlich übersetzt wird. Leuten, deren Steckenpferd nicht gerade Sprache ist, mögen sich vielleicht nicht bewusst sein, dass es auf Deutsch richtigerweise «ein Risiko eingehen» hiesse. Bei ihnen mögen wir darüber hinwegschauen. Wenn aber die renommiertesten Sportjournalisten und Kommentatoren, sowohl von privaten wie auch von öffentlich-rechtlichen Fernsehstationen, bei Ski-Weltmeisterschaften oder Fussballländerspielen in der Liveberichterstattung oder ihrer Analyse finden, «die Sportler haben ein zu hohes Risiko genommen», rollen sich meine Zehennägel bis zu den Knien! Von Medienprofis, die sich tagein, tagaus mit Sprache beschäftigen, dürfte man meiner Meinung nach schon einen etwas gepflegteren Ausdruck erwarten, statt dessen regelrecht tragischen Zerfall. Und auch der Pressesprecher, der erklärt, wie grosse Risiken Anleger an der Börse «nehmen», ist aus meiner Sicht eine erbärmliche Figur. Bei solchen Vorbildern kann ich aber künftig auch dem Grossteil der deutschsprachigen Bevölkerung keinen Vorwurf machen, der ihnen nachredet und «Risiko nimmt». Ich meinerseits werde weiterhin korrekt «ein Risiko eingehen», auch wenn mich hier ausser der weltbesten Ultracyclerin wahrscheinlich bald niemand mehr versteht. Dieses Risiko nehme ich gerne – auf mich!